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Keine Pflicht zum Abdrehen von Rohrleitungen vor einer Urlaubsfahrt
Handeln Versicherungsnehmer grob fahrlässig, können sie teilweise oder sogar auf dem ganzen Schaden sitzenbleiben. Das trifft auch für Leitungswasserschäden zu: Wiederholt urteilte ein Gericht, ein Nicht-Verschließen eines Zulaufs zu einer Waschmaschine sei ein fahrlässiges Handeln. Was aber für Schlauchverbindungen zutrifft, trifft nicht für Rohrverbindungen zu. Das veranschaulicht ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle (Az. 14 U 135/20).
Geklagt hatte der Gewerbeversicherer eines Zahnarztes – und zwar gegen eine Handwerkerfirma, die eine Desinfektionsanlage in der Praxis installiert hatte. Denn an einer Zuleitung löste sich eine Verbindung und richtete einen Schaden von über 200.000 Euro an. Das Versicherungsunternehmen ersetzte dem Arzt zunächst den Schaden. Das Geld aber sollte die Handwerkerfirma nun zurückerstatten.
Ein Verbindungsstück war falsch montiert
Grund der Forderung: Ein Gutachten hatte offenbart, dass ein Verbindungsstück fehlerhaft montiert wurde. So wurde ein Rohr nicht gemäß der gängigen Standards montiert. Die Firma allerdings verweigerte den Schadenersatz mit der Begründung, der Zahnarzt hätte sich grob fahrlässig verhalten.
Der Zahnarzt war im Urlaub
Denn das Wasser trat aus dem Verbindungsstück aus, während die Praxis geschlossen war – drei Wochen lang befand sich der Arzt im Urlaub. Das Argument des Handwerkerunternehmens lautete nun: Der Zahnarzt hätte vor dem Schließen der Praxis die Hauptwasserleitung und die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abdrehen müssen.
Der Versicherer sah dies aber anders – und klagte vor dem Landgericht (LG) Verden auf Zahlung der Schadensumme. Gäbe es doch keine gesetzliche Verpflichtung, wasserführende Leitungen einer Zahnarztpraxis abzusperren. Das Landgericht holte ein Fachgutachten ein, das tatsächlich eine fehlerhafte Montage der Rohre bewies. Allerdings sprach das Gericht in der Folge sowohl der Installationsfirma als auch dem Zahnarzt eine Schuld von fünfzig Prozent zu (Az. 8 O 237/18).
Das Oberlandesgericht entlastete den Zahnarzt – Rohrleitungen müssen nicht abgedreht werden
In Berufung vor dem Oberlandesgericht jedoch neigte sich die Waage ganz zugunsten der Versicherung – und damit auch zugunsten des Zahnarztes. Zwar gestand das Gericht zu, dass regelmäßig ein grob fahrlässiges Verhalten unterstellt wird, sobald Leitungen von Waschmaschinen und Geschirrspülmaschinen offen bleiben. Hier reiche schon eine Abwesenheit von zwei Stunden, um von einem grob fahrlässigen Verhalten auszugehen – wer die Wohnung verlässt, sollte Zuleitungen zu Waschmaschinen vorher verschließen. Jedoch: Solche Obliegenheiten beziehen sich nur auf die stark anfälligen Schlauchverbindungen.
Für Rohrverbindungen wie jene in der Zahnarztpraxis hingegen ist ein solches Verschließen nicht notwendig – und zwar selbst bei bevorstehenden Urlaubsfahrten nicht. Handle es sich bei richtiger Montage hier doch um „unlösbare Verbindungen“. In der Industrie würden gängige Rohrverbindungen auch das Reinigen mit Hochdruckreiniger aushalten müssen. Deswegen handelt nicht fahrlässig, wer Rohrverbindungen nicht verschließt – den Zahnarzt trifft keine Schuld.
Es gibt auch keine Pflicht, den Hauptwasserhahn zu schließen
Ebenso wenig gäbe es eine Pflicht, vor Urlaubsfahrten den Haupthahn zu schließen. Das Gericht formuliert: Das Abdrehen des Hauptwasserhahns stelle keine Obliegenheit dar, die der Versicherungsnehmer nach dem Verlassen einer Wohnung vornehmen muss, um einem Schaden aus einem Rohrbruch entgegenzuwirken.
Das trifft zumindest so lange zu, wie es keine Anhaltspunkte für einen drohenden Schaden gibt. Anders ist es natürlich, wenn schon ein sichtbarer Schaden an der Leitung entdeckt wurde. Weil der Wasserschaden letztendlich einzig durch die fehlerhafte Montage der Firma verursacht wurde und weil der Zahnarzt keine Obliegenheit verletzte, muss nun die Installationsfirma den vollen Wasserschaden an die Versicherung zurückzahlen.