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Landgericht Köln zur Kfz-Versicherung: Versicherungsnehmer müssen für den Leistungsfall auch Fahrzeugdatenspeicher auszulesen lassen
Kommt es zu einem Schadenfall, können verschiedene Mitwirkungspflichten – sogenannte Obliegenheiten – für einen Versicherungsnehmer Bedingung sein, den Schaden ersetzt zu bekommen. Das trifft auch für die Kfz-Versicherung zu. Zu den Pflichten kann unter bestimmten Bedingungen auch zählen, den Fahrzeugdatenspeicher eines Autos auslesen zu lassen oder die Fahr- und Assistenzsysteme untersuchen zu lassen, wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Köln zeigt. Ein klagender Versicherungsnehmer hatte es mit seinem Verhindern der Unfalluntersuchung letztendlich so weit getrieben – das Gericht ging von Arglist aus.
Unfall ohne Zeugen: Die Leitplanke war beidseitig im Weg
Die Umstände des Unfalls waren kurios, die zur Auseinandersetzung vor Gericht führten. Im Februar 2019 nahm die Polizei, just gegen Mitternacht, einen Unfall auf einer Landstraße im Kölner Umland auf. Einziger Zeuge des Unfalls war der Fahrer eines Audi A 8. Nach eigener Aussage war er durch einen in den Fußraum fallenden USB-Stick von der Fahrbahn abgekommen, wobei ihm die überfrierende Nässe auf der Straße zum Verhängnis wurde – erst streifte der Wagen die Leitplanke der Gegenfahrbahn und dann, nachdem der Mann zurück lenkte, auch noch die Leitplanke der eigenen Fahrbahn auf der rechten Seite. Rund 15.400 Euro betrug der später ermittelte Schaden am Wagen.
Angebliches Unfallopfer verweigerte Untersuchung des Wagens
Der Mann wollte diesen Schaden an seinem Audi aus seiner Vollkaskoversicherung ersetzt bekommen. Der Kfz-Versicherer des Mannes freilich schöpfte Verdacht aufgrund der Fahrerassistenzsysteme eines Audi A 8. Ein Sachverständiger wurde geschickt, der die elektronischen Hilfs- und Assistenzsysteme untersuchen sollte. Als der Experte vor Ort bei dem Mann erschien, verweigerte das angebliche Unfallopfer aber eine Untersuchung des Wagens.
Daraufhin schrieb der Versicherer den Mann an und bat um ein Einverständnis, den Fahrzeugdatenspeicher auszulesen. Erneut erfolglos: Der Mann meinte, dies stelle einen unzulässigen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar. Er antwortete mit einem Schreiben, in dem unter anderem stand: Er könne das Formular nicht unterzeichnet zurücksenden, da „die in der Erklärung aufgeführten Punkte einen erheblichen Eingriff in meine Privatsphäre darstellen.“ Der Grund: Der Versicherer könne durch Auslesen des Fahrzeugdatenspeichers auf das Fahrverhalten des Mannes zurückschließen. Und aus Sicht des Mannes dürfe dies ein Versicherer nicht.
Allgemeine Versicherungsbedingungen definieren Mitwirkungspflicht
Der Versicherer wollte sich ein solches Verhalten nicht gefallen lassen – und verweigerte die Zahlung. Hierbei berief er sich auf ein weiteres Gutachten eines Sachverständigen, das zum Inhalt hatte: Angesichts der vorhandenen Fahrerassistenzsysteme sei ein Ausbrechen des Fahrzeuges aus der Spur gar nicht möglich in jener Art, wie es das angebliche Unfallopfer behauptete.
Auch wies der Versicherer auf die Mitwirkungspflichten hin, die einem Versicherungsnehmer laut Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) zukommen. Hierin heißt es unter anderem: Untersuchungen zu den Umständen des Schadenereignisses, zu den Ursachen und zu der Höhe des Schadens sowie zur Leistungspflicht muss der Versicherungsnehmer „erlauben“, soweit es dem Versicherungsnehmer „zumutbar ist“.
Audi-Fahrer klagte: Und handelte laut Urteil aus Arglist
Der Audi-Fahrer klagte nun vor dem Landgericht in Köln, weil er dennoch den Schaden ersetzt haben wollte. Laut Urteil des Landgerichts aber ging er damit dann doch zu weit (Az. 24 O 236/19). Denn das Gericht gab dem Kfz-Versicherer recht: Einem Versicherungsnehmer ist zumutbar, auch den Fahrzeugdatenspeicher eines Autos auslesen zu lassen oder die Fahr- und Assistenzsysteme untersuchen zu lassen. Wie vom Versicherer behauptet, gehört dies zu den zumutbaren Obliegenheitspflichten nach einem Versicherungsfall.
Unfallwagen verschwand nach Polen
Eine solche Untersuchung, die nun auch laut Aussage des zuständigen Gerichts rechtens war, war allerdings nach Angaben des klagenden Audi-Fahrers nicht mehr möglich: Der Unfallwagen sei schnell nach Polen verkauft worden, weil Geld gebraucht wurde. Und da nicht bekannt sei, an wen der Wagen verkauft wurde, stünde der Audi einer Untersuchung nicht mehr zur Verfügung.
Verdacht des Versicherers: Unfall war Versicherungsbetrug
Eine solche Behauptung verstärkte den Verdacht des Kfz-Versicherers: Es handelt sich um ein manipuliertes Unfallereignis – und damit um Versicherungsbetrug. Ob es aber tatsächlich so ist, dass der Audi-Fahrer durch einen manipulierten Unfall seine Kfz-Versicherung betrügen wollte, musste gar nicht mehr festgestellt werden. Denn schon die Tatsache, dass der Versicherungsnehmer nicht seinen Pflichten gemäß den Allgemeinen Versicherungsbedingungen nachkam, nimmt den Versicherer aus der Leistungspflicht.
Und das trifft umso mehr zu, als zumindest die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit laut Gericht arglistig erfolgte. Denn laut Gericht war das Verhalten des Klägers zumindest darin arglistig, dass er erkennbar auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss nehmen wollte durch Verhinderung einer Überprüfung der Unfallumstände. Und das tat er mit dem Ziel, die Prüfung für sich unkomplizierter und zügiger zu gestalten und damit schnell die Versicherungssumme zu kassieren.